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Alex Capus: Königskinder {Bücher}

24. August 2018

(Werbung, für meine freie Rezension hat mir der Verlag freundlicherweise ein Leseexemplar überlassen.
Meine eigene Meinung über das Buch bleibt dadurch unbeeinflusst. Hier habe ich das bereits erläutert.)

Über die Kraft des Erzählens

Beim Titel von Alex Capus’ neu erschienen Roman “Königskinder” klingt wohl vielen die in mehreren Ländern bekannte Ballade der beiden sich liebenden Königskindern im Ohr. “Es waren zwei Königskinder,/ die hatten einander so lieb,/ sie konnten beisammen nicht kommen,/ das Wasser war viel zu tief.” Ganz tief im europäischen Gedächtnis, in der griechischen Sage von Hero und Leander, ist dieses Motiv verankert.

Zunächst aber begleiten wir das Ehepaar Tina und Max, das bereits seit 26 Jahren zusammen ist, während es verbotenerweise über den zunehmend verschneiten Jaunpass in der Schweiz fährt. Es kommt wie es kommen muss, mitten in der Nacht rutschen sie sanft von der Straße in den Graben. Dort müssen sie im tiefen Schnee, ohne Handynetzempfang und mit der Einsicht, dass es im Auto drinnen wärmer und sicherer ist, auf den Räumdienst am nächsten Morgen ausharren.

Über die großen Dinge des Lebens herrscht wohl Einigkeit, doch ansonsten dominiert eher eine stichelnde bis zänkische Stimmung zwischen ihnen. Während die beiden nun den elementaren Kräften der Natur in der Nacht ausgesetzt sind, greift Max zu einem uralten Hilfsmittel. Schon immer hat das Geschichtenerzählen Menschen Trost und Ablenkung gespendet, unterhalten, geklärt, erklärt und auch gerettet (man erinnere sich an Scheherazade).

Seine Geschichte beginnt in einer entlegenen Sennhütte genau an jenem Alpenpass im Jahr 1779. Hier im Greyerzerland, wo die Sprachgrenze zwischen deutsch- und französischsprachiger Schweiz verläuft, verliebt sich der wortkarge, eigenbrötlerische junge Kuhhirt Jakob ausgerechnet in Marie-Françoise, die Tochter eines reichen Bauern drunten im Tal. Natürlich schreitet der Vater handgreiflich gegen die Verbindung mit dem bitterarmen Naturburschen ein. Die beiden Verliebten bleiben stur, doch Jakob muss sich vorerst für Jahre in den französischen Militärdienst verdingen.

Über Jahre scheinen die beiden wie die Königskinder aus der Sage unüberbrückbar getrennt, bis aus tatsächlich königlicher Hand eine Zusammenführung möglich ist. Ausgerechnet seine Fähigkeiten als Kuhhirt bringen Jakob nach Versailles an den Hof von Ludwig XVI .
Kriege und Revolutionen rauschen an Jakob und Marie vorbei, ihr Leben bleibt innigst mit der Natur verbunden und von den Umwälzungen fast unberührt.

Wie Tina lauscht man als Leser dem Erzählstrom von Max, möchte wie diese ab und zu die Möglichkeit von Zwischenfragen haben. Tina bohrt – manchmal auch mal wieder extrem nervig- nach.
Gab es Prinzessin Elisabeth und ihren Bauernhof wirklich? Rasch recheriert – tatsächlich. Ist die Geschichte von Jakob und Marie eigentlich wahr?
Das klärt Max schon ganz am Anfang:

“Wobei es gar nicht so wichtig ist, ob eine Geschichte wahr ist oder nicht. Wichtig ist, dass sie stimmt.” (S. 19)

Die fantasievolle, poetische  Erzählweise hat mich in ihren Bann gezogen. Wie die beiden Eingeschneiten vergaß ich Raum und Zeit um mich herum.
Eine Geschichte über die große Liebe, die die schwierigsten Zeiten überdauert, die alltäglichen Plänkeleien übersteht – und das Erzählen von Geschichten, einer der ältesten Kulturtechniken überhaupt.

Mich hat das Buch über ein paar Stunden von meiner schmerzenden Schulter abgelenkt. Leicht verschneite Abkühlung bei 30 Grad…

Fazit:

Empfehlenswert

Alex Capus:
Königskinder

Carl Hanser Verlag
176 Seiten
Erschienen im August 2018

 

  • Nicole/Frau Frieda 24. August 2018 at 8:10

    Was für eine hübsche Rezension, liebe Andrea. So schön bebildert und beschrieben. Da geht einem das Herz auf! Vielen Dank für den Tipp! Ich werde in der Bücherei mal schauen, ob sie es schon haben. Eine leicht verschneite Ablenkung wäre mir im Moment auch sehr willkommen. Ganz liebe Grüße und ein schönes Wochenende, Nicole (und weiterhin gute Besserung!)

  • ninakol 24. August 2018 at 9:23

    Da hast Du mich aber auch neugierig gemacht. Eine Geschichte in einer Geschichte. Ich schliesse mich Nicole an und merke es in der Bücherei gleich mal vor.
    Dir ein schönes Wochenende und liebe Grüsse
    Nina

  • Astridka 24. August 2018 at 13:51

    Das hört sich wirklich nach Therapie an gegen Hitze, Schmerz und dies und das…
    Ist den inzwischen geklärt, was da in deiner Schulter vor sich geht?
    Alles Gute!
    Astrid

  • Pia 24. August 2018 at 19:49

    Deiner Rezension nach kommt richtig Lust auf das Buch zu lesen, aber auf meinem Kindle liegen noch so viele ungelesene Bücher. Diesen heissen Sommer hatte ich eine richtige Leseblokade. Hoffe, dass sich das schnell wieder legt.
    L G Pia