Bücher

Spannende polnische Herausforderung {Buchtipp}

2. November 2023

(Werbung: Danke an den dtv-Verlag, der mir ein Rezensionsexemplar zur Verfügung stellte. Meine eigene Meinung zum besprochenen Buch behalte ich mir vor.)

Heute habe ich mal wieder ein sehr empfehlenswertes Jugendbuch für Euch. Ein tolles Buch für Jugendliche sollte meiner Vorstellung nach auch für mich als Erwachsene mit Freude zu lesen sein. Das ist bei diesem Roman absolut der Fall.

Antje Bones: “Nebenan ist doch weit weg”

Antje Bones ist mit „Nebenan ist doch weit weg“ ein beeindruckendes Jugendbuch gelungen. Auf ermutigende und altersgerechte Weise wird hier eine Verbindung zur deutsch-polnischen Geschichte geknüpft.  

Abenteuerlustige, aufgeschlossene Eltern sind ja was Tolles. Nun reagiert die 13jährige Edith jedoch sehr unbegeistert. Ihre Eltern sind große Liebhaber der polnischen Stadt Krakau und sehen Chancen, sich dort eine neue Existenz aufzubauen. Das bedeutet für Edith, dass sie gegen ihren Willen die geliebte Heimat in Berlin-Kreuzberg, ihren Freundeskreis und die Verwandten, das ganze gewohnte Umfeld für immer verlassen muss. Was für ein großer Einschnitt für ein Kind. Für ihren viel jüngeren Bruder Jakob ist das eher ein Aufbruch in ein großes Abenteuer.

Willkommen in Krakau

Edith hat bereits begonnen, Polnisch zu lernen, denn sie wird in Krakau nach den Sommerferien gleich in der 7. Klasse starten. Neue Freundschaften in einer anderssprachigen Umgebung zu finden,  ist nicht so leicht. Was für ein Glück, dass sie in Milena und Antek Freunde findet, die auch ein bisschen am Rande der Gruppe stehen. Trotz der Vorbereitungen merkt Edith, wie schwer die neue Sprache ist. Gelegentlich schämt sie sich, wegen ihrer mangelnden Sprachkenntnis.  Aber sie geht die Herausforderung mutig und engagiert an.

Die Erlebnisse, Erfahrungen und Gefühle werden aus der Perspektive des Auswanderermädchens Edith in der Ich-Form erzählt. Eine Bereicherung erfährt diese Form durch den Wechsel mit  Ediths Tagebucheintragungen. Hier kann man nachempfinden, was für eine Gefühlsbandbreite von Zukunftsangst über Wut bis zur Verzweiflung das junge Mädchen durchlebt. Wie schön, dass Edith wahrnimmt, dass es auch schöne Erlebnisse gibt und auch Ausblicke auf eine bessere Zukunft deutlich werden. Edith reift an diesen Herausforderungen.

Eine aufregende Spur in die Vergangenheit

Für Edith und ihre frisch gewonnenen polnischen Freunde wird die neue Gemeinschaft auch zur Begegnung mit gegenseitigen typischen Ressentiments und der deutsch-polnischen Geschichte.
Als die Drei im alten Haus, das Ediths Familie gekauft hat, ein zugemauertes, geheimes Zimmer entdecken, startet eine gemeinsame Abenteuergeschichte. Denn die Spur, die die Kinder nun engagiert verfolgen, führt sie in schlimme vergangene Zeiten. An dieser Stelle eröffnet sich den Kindern, wie Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft miteinander verflochten sind.

Es ist nicht nur die Gedankenwelt des Auswandererkindes, sondern auch die gemeinsame Reise der neuen deutsch-polnischen Freundesgruppe in die Vergangenheit, die einen als Leser*in berührt, erschüttert, doch auch innerlich aufbaut und ermutigt. Die Realität wird nicht schön gemalt, sondern glasklar dargestellt. Es ist Edith, die der Vergangenheit ganz naiv und unwissend entgegentritt. Mit viel Einfühlungsvermögen wird diese Haltung aufgegriffen. 

Eine Vielzahl von Themen werden angesprochen bis hin zur Bedeutung der Religion in den beiden Ländern, die Wichtigkeit der Erinnerung, die Bedeutung der Sprache u.v.m.

Fazit

Antje Bones hat hier mehr als ein nettes Jugendbuch geschrieben. Ediths Geschichte in Polen berührt und geht unter die Haut. Durch die derzeitigen dramatischen politischen Geschehnisse in Osteuropa und im Nahen Osten gewinnt das Buch eine intensive Aktualität. Es öffnet einen freundlichen und liebevollen Blick zu unserem direkten Nachbarn im Osten, erinnert an die furchtbare Vergangenheit und zeigt die Bedeutung von Mut und Menschlichkeit auf. In dieser Form ist es perfekt für die Altersklasse ab 11 Jahren. Der Erzählduktus spricht diese Altersklasse bestimmt an, denn er ist sehr lebendig, gefühlsbetont und oft sehr lustig.

Michael Szyszka illustriert die Geschichte einfühlsam und zurückhaltend. Man ist ein bisschen an Collagen erinnert und lernt nebenbei noch ein paar polnische Vokabeln. Auch das Cover ist sehr einfach gehalten.  Die Umzugswagen auf dem Weg von Berlin nach Krakau schenken gleich eine geografische Vorstellung von Lage und Entfernung.

Diesem tiefgründigen, spannenden Jugendbuch ist eine große Leserschaft zu wünschen.

Antje Bones:
Nebenan ist doch weit weg.
Illustriert von Michael Szyszka
dtv Verlag Oktober 2023
304 Seiten

  • Astridka 2. November 2023 at 14:13

    Das ist doch mal ein interessanter Perspektivwechsel! Und dann noch unter Einbeziehung der Historie! Ich werde mir das Buch mal merken, danke für den Hinweis!
    GLG
    Astrid

  • nina wippsteerts 3. November 2023 at 0:15

    Naivität und Unwissenheit die dann aber mit Wissensdurst aufgeholt wird
    Danke für den Tipp
    Liebe Grüße
    Nina

  • Andrea Karminrot 3. November 2023 at 16:45

    Bestimmt ein schönes Buch. Ich habe es mir auf die Liste geschrieben
    Danke und liebe Grüße
    Andrea

  • Pia 6. November 2023 at 18:55

    Noch schaue ich mit den Enkelinnen Bilderbücher an, aber die Zeit kommt schneller als einem lieb ist um gute Jugendbücher zu lesen. Da ist man immer froh um gute Tipps.
    L G Pia

  • Nicole/Frau Frieda 8. November 2023 at 6:48

    Vielen Dank für die schöne Buchvorstellung, liebe Andrea. Dein Fazit gefällt mir sehr. Es scheint, ich habe ein Weihnachtsgeschenk für meine jüngste Patentochter gefunden. Liebe Grüße, Nicole

  • Svenja Lange 13. November 2023 at 16:54

    Deine Empfehlung macht Lust darauf, sich auf die Herausforderung einzulassen und etwas Neues zu entdecken. Es ist immer schön, wenn ein Buch nicht nur unterhält, sondern auch dazu inspiriert, über den eigenen Tellerrand zu schauen.

    Danke für diese inspirierende Buchvorstellung! Ich freue mich schon darauf, mehr von deinen literarischen Entdeckungen zu erfahren.

    Herzliche Grüße,
    Svenja