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Sophie Divry: “Als der Teufel aus dem Badezimmer kam” {Bücher}

19. September 2017

In diesem Jahr habe ich mir vorgenommen, Euch jeden Monat mindestens eine Bücher-Neuerscheinung vorzustellen. Im September sind es nun zwei neue Bücher, die darum gerungen haben, welches meine Lieblingsneuerscheinung sein würde. Dieser Roman aus Frankreich hat das Ziel knapp verfehlt, obwohl er mit viel Witz und sprachlicher Kreativität daherkommt.

Sophie Divry: Als der Teufel aus dem Badezimmer kam

Das Cover von Sophie Divrys Roman fiel mir gleich ins Auge – knallroter Umschlag und ausgestanzte Hörner mit Durchblick auf den schwarzen Bucheinband. So setzte  das Buch gleich forsch den Fuß in die Tür, denn der Titel “Als der Teufel aus dem Badezimmer kam” allein hätte mich nicht neugierig gemacht.

“Jede einzelne Biographie lässt sich gliedern wie ein Geschichtsbuch, inklusive Eiszeiten und Revolutionen.” (Sophie Divry)

Der Roman findet seinen Handlungsort in Frankreich, genauer in Lyon. Das ist nicht unwichtig, denn die aktuelle gesellschaftspolitische Situation spielt eine Rolle.
“Heldin” (als solche wird sie ganz im klassischen Stil bezeichnet) der Geschichte ist Sophie, zwar reich an (Aus-)bildung, aber ansonsten arm an finanziellen Mitteln und ohne Job. Ihre Stelle als Journalistin hatte sie verloren, die Arbeiten als freie Mitarbeiterin gingen aus. Nun ist sie auf Sozialhilfe angewiesen. Doch während die Stromrechnung pünktlich eintrifft, bleibt plötzlich die staatliche Grundsicherung aus, die Bürokratie hat mal wieder zugeschlagen, es fehlt irgendeine schriftliche Bestätigung.

Sophie hat mit sechs Brüdern eine idyllische Kindheit verbracht. Ihren Brüdern ist es gelungen, sich “eine Existenz aufzubauen”: Karriere, Haus, Kinder, soziales Netz, Wohlstand.   Sophie traut sich beim Familienfest nicht, sie in ihre eigene, missliche Situation einzuweihen.
Das gute, reichhaltige Essen am Familientisch verträgt sie gar nicht mehr, mittlerweile ist der Hunger in ihre kleine Behausung eingezogen.

“Wie langsam die Zeit vergeht, wenn man kein Geld hat.”

Es sind diese Momente, in denen sich  Sophie nach Geschmack auf der Zunge sehnt, die letzten Euros sorgfältig für Basisnahrungsmittel verplant, Kleidungsstücke aus einer Mülltonne zieht, die einem beim Lesen beklommen schlucken lassen. Die Zahl der sozialen Kontakte ist zusammengeschrumpft, Sophie rutscht allmählich in die Isolation. Wer ihr bleibt, ist der Leidensgenosse Hector und imaginär Lorchus, ihr persönlicher Dämon, der sie in Versuchung führen möchte.

Trotzdem ist der Roman kein depressives Trauerspiel, denn Sophie lässt sich denn doch nicht entmutigen, stürzt sich tapfer in die neue (aber leider wieder frustrierende und ernüchternde) Tätigkeit als Hilfskraft in der Gastronomie und schreibt einen Roman. Genau! Den Roman, den wir gerade besprechen.

“Meine Erschöpfung zeigte mir, dass mein Körper sich wieder in das tätige Leben eingegliedert hatte, die einzige anerkannte Form von Leben, und die, die am schwersten zugänglich ist.”

Die Form des Romans ist modern, mutig, experimentell, heiter. Hier sprüht die Autorin vor Einfällen, lässt viel Humor und Witz walten. Was auffällt, ist eine große sprachliche Kreativität, Lust auf Wortneuschöpfungen, Einfließen literarischer Texte und Bezüge wie z.B. Barockdichtung, Filmelemente, Internetchats und konkreter Lyrik.
Sogar eine der Romanfiguren, ihr bester Freund Hector, beginnt sich zu verselbstständigen und versucht Typographie und Handlungsablauf “seiner” Sequenzen zu bestimmen.

Den Roman  aus dem Französischen zu übersetzen war aufgrund seiner Vielzahl an Sprachspielereien und literarischen Bezüge, wie auch durch die Gebundenheit an das Sozialsystem Frankreichs gewiss kein Kinderspiel.
In Frankreich herrscht eine weitaus höhere Arbeitslosigkeit als in Deutschland. Der ganze bürokratische Ablauf und die Behörden sind natürlich andere als hier (aber bestimmt mit ähnlichen Problemen…).
Dort wurde der Roman schon für mehrere Literaturpreise nominiert, den Prix Top Virilo hat er bereits erhalten.

Ich habe ihn mit großem Interesse und Spaß an Divrys Witz und Sprachideen gelesen, aber irgendwie fehlte etwas, dass der Funke ganz überspringt, dass ich mich ganz in die “Heldin” einfühlen konnte. Ob es daran liegt, dass Vieles einfach nicht ins Deutsche übersetzt und transferiert werden kann, oder mir persönlich die Bezüge zu Frankreich fehlen?
Ansonsten ein Roman, der mal kreative, moderne Wege geht, es mit einem schwierigen Thema aufzunehmen.

Danke an den Ullstein Verlag für das Rezensionsexemplar.

Sophie Divry: Als der Teufel aus dem Badezimmer kam. (Originaltitel: Quand le diable sortit de la salle de bain)
Ullstein, Erscheinungstermin 22. September 2017

  • siebenVORsieben 19. September 2017 at 8:49

    Klingt auf alle Fälle interessant (wenn auch ein wenig deprimierend).
    Liebe Grüße
    Jutta

  • Schwarzwaldmaidli 19. September 2017 at 11:06

    Die Geschichte finde ich auch interessant.
    Dein Buchtipp wird gleich mal notiert.
    Liebe Grüße
    Anette

  • Astrid Ka 19. September 2017 at 16:21

    Vielleicht ist das ja was im Original für den französischen teil der Familie…
    Danke fürs Vorstellen.
    LG
    Astrid