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Erlenzauber

26. Mai 2016

Habt Ihr in der Schule noch Goethes “Erlkönig” auswendig gelernt oder wenigstens gelesen?  Kennt Ihr vielleicht sogar die Ballade um “Erlkönigs Tochter” (von Herder)?
Keine Sorge, ich will Euch jetzt nicht ins Lyrikseminar entführen… Nein, ich will Euch nur zur Erle mitnehmen, aber ein bisschen magisch wird es auf jeden Fall.

Sumpf- und Moorlandschaften, Flüsse und Bäche liebt die Erle, die feuchte Umgebung liegt ihr. Ein bisschen unwirklich ist es dort; früher waren dies gewiss oft auch gefährliche Orte, sumpfig, morastig, verrufen, unwirtlich.

Ein Tor zwischen zwei Elementen, zwischen zwei Welten stellte die Erle so früher in den Augen der Menschen dar und war ihnen somit oft unheimlich. Seit der Antike ranken sich Sagen und Mythen um die Erlen. Bei Dunkelheit hielt man sich lieber von ihr fern, denn hier fand dann wildes Treiben statt. Wer wollte schon in die Fänge von Erlkönigs Tochter geraten? Oder mit Wassergeistern, Nebelfeen oder Irrlichtern mutterseelenallein zusammentreffen?

Ich will gern glauben, dass sich an dieser Stelle des Nachts Feen, Moorgeister und Elfen zum Tanz versammeln, die auf menschliche Beobachter gut verzichten können.

Wenn man im frühen Mittelalter “über jemanden einen Stab brach” – dann handelte es sich um Erlenstäbe, In verschiedene Richtungen geworfen, bedeuteten sie, dass derjenige verstoßen wurde.

Rot läuft das Holz einer gefällten Erle an, sie blutet .. blutrot – so rot wie das Kleid der Erlkönigin.

Über die Erlenmythologie ließe sich noch vieles berichten, doch auch die guten Seiten der Erle wurden genutzt. Ihr Holz ist sehr haltbar und unempfindlich gegen das Verrotten und somit gut zu verwenden beim Bauen in Wasserbereich. Steht nicht Venedig auf Erlenpfählen?
Heutzutage wird das Erlenholz gern beim Bau von Möbeln benutzt – wir selber essen seit 25 Jahren an unserer Tischplatte aus Erlenholz.

Der Standort meiner Baumfreundin ist wirklich sehr typisch für eine Erle: in einer Moorlandschaft (bestimmt sehr gruselig im Dunkeln), an einem Wasserlauf mit einem alten Wehr (das sich auch im Schwarz-weiß-Modus sehr gut macht).

Dieses Gelände gehört zum Naturschutzgebiet rund um den Mindelsee, der nur 3 km vom Bodensee entfernt liegt. Der Mindelsee war ursprünglich viel größer als heute, doch seit dem Mittelalter wurde mehrfach der Seespiegel gesenkt, um den Torfabbau zu ermöglichen und Land zu gewinnen.

Für Wanderer, die unter meiner Erle verweilen wollen, steht eine Bank bereit, die momentan allerdings wenig einladend von Brennesseln umrahmt ist.
Ich selber streife lieber ein bisschen am Ufer entlang…

Zu welcher Jahreszeit auch immer, die alte Erle ist stets eine Augenweide.
Vielleicht sollte ich nicht doch mal des nachts… Bislang habe ich in der Dämmerung hier nur Fasane und Hasen beobachtet.

Die Erle stelle ich in die Reihe von Ghislanas Baumfreunden, die sie am letzten Sonntag jedes Monats sammelt..

  • jahreszeitenbriefe 26. Mai 2016 at 4:48

    Oh, ich freue mich jetzt schon auf Sonntag. Was für ein schönes Erlenexemplar, ein Baum mit Charakter und Geschichten. Du hast ihm einen ganz wunderbaren Beitrag gewidmet. Der Erlkönig hat mich durch meine Kindheit begleitet, meine Mutter hatte ihn in ihrem Liedrepertoire und oft haben wir gebannt zugehört. Natürlich haben wir ihn auch gelernt für die Schule, ich mochte es sehr gern Gedichte zu lernen und zu rezitieren, das lag mir ;-). Die Fotos "Erle mit Sonne" sind wirklich verzaubernd… Danke und Morgengrüße Ghislana

  • mano 26. Mai 2016 at 5:13

    ich gebe zu, mich hat es beim erlkönig immer gegruselt – dabei zogen mich andererseits karge moorlandschaften magisch an (heute auch noch!). in meiner jugend hab ich die unheimlichen geschichten von lovecraft und poe verschlungen, die so oft dort spielten – auch wenn ich nachts dann nicht mehr schlafen konnte. erlen (und weiden) gehören einfach in diese landschaften dazu.
    ein wunderschönes baumportrait!
    liebe grüße, mano

  • Himmel Blau 26. Mai 2016 at 5:19

    Deine Erle verzaubert wirklich…Erlen gibt es in unseren Breiten eher selten, ich vermute, es ist zu trocken…trotz (oder gerade wegen)der Seen ringsherum. Den "Erlkönig" haben wir natürlich auch in der Schule gelernt…und ich fand das Ende immer gruselig…;-). LG Lotta.

  • Nicole/Frau Frieda 26. Mai 2016 at 5:35

    Was für ein wunderschöner, ja beinahe schon magischer Post, Andrea! Du hast nicht zuviel versprochen ;)) "Der Erlkönig" – wer kennt ihn nicht? Aber das Venedig auf Erlenpfählen steht war mir neu. Genau wie die Herkunft des "Stab brechen". Vielen Dank! Ich gehe heute erlenverzaubert durch den Tag. Liebe Grüße und einen feinen Feiertag, Nicole

  • Friederike 26. Mai 2016 at 6:08

    Venedig steht teilweise auf Erlenpfählen, auch Eiche, Ulme, pappel.
    Eine schöne Erlenfreundin hast du und ja, ich würde sie auch in der Nacht einmal besuchen, vielleicht wenn die Mondin voll am Himmel steht?
    lg

  • Judika 26. Mai 2016 at 6:26

    Liebe Andrea,
    dieser Post ist vom feinsten, ganz viel habe ich gelernt und so tolle Photos.
    Erkönigs Tochter kannte ich noch nicht, Der Erkönig, Die Glocke, Die Bürgschaft, das waren die Balladen, die ich zu Schulzeiten auswendig lernen musste.
    herzlich Margot

  • verfuchstundzugenäht 26. Mai 2016 at 7:37

    Ein prachtvolles Exemplar!

  • Astrid Ka 26. Mai 2016 at 8:10

    Was für ein Baumfreund! So schöne Exemplare hat's hier nicht, denn ich habe auch schon oft überlegt, der Erle einen Baumpost zu widmen. Aber die ist ein Baum fürs freie Feld. Und so freue ich mich heute über DEINE schönen Fotos!
    Hab einen sonnigen Feiertag!
    Astrid

    • Astrid Ka 26. Mai 2016 at 8:13

      Übrigens habe ich den Erlkönig NIE auswendig lernen müssen trotz hochgradig intensiven Deutschunterrichts! Ich war zwar in einer Klosterschule, aber hatte eine ganz junge Lehrerin, Mutter zweier kleiner Kinder – das war in den Sechzigern schon außergewöhnlich. So auch die Unterrichtsinhalte…
      A.

    • Astrid Ka 26. Mai 2016 at 8:13

      Übrigens habe ich den Erlkönig NIE auswendig lernen müssen trotz hochgradig intensiven Deutschunterrichts! Ich war zwar in einer Klosterschule, aber hatte eine ganz junge Lehrerin, Mutter zweier kleiner Kinder – das war in den Sechzigern schon außergewöhnlich. So auch die Unterrichtsinhalte…
      A.

  • Astrid Ka 26. Mai 2016 at 8:14

    Was für ein Baumfreund! So schöne Exemplare hat's hier nicht, denn ich habe auch schon oft überlegt, der Erle einen Baumpost zu widmen. Aber die ist ein Baum fürs freie Feld. Und so freue ich mich heute über DEINE schönen Fotos!
    Hab einen sonnigen Feiertag!
    Astrid

  • swig 26. Mai 2016 at 9:51

    Ein prachtvolles Wesen!
    Den Erlkönig müssen die deutschen 6.Klässler hier jedes Jahr lernen und auf der Bühne rappen. (Die 7. Klässler kriegen Schillers Handschuh, die Älteren Frisch und Brecht…)
    Grauenvoll! Nächsten Donnerstag steht uns die alljährliche Tortur wieder bevor… ich werde an Dich denken 😉
    Liebe Grüße!

  • Centi 26. Mai 2016 at 11:43

    Oh, ich liebe Erlen! Deine ist ein besonders wunderschöner Baum. =)
    Vor unserem Wohnzimmer steht auch eine ziemlich große Erle. Diese Jahr sieht sie allerdings recht schütter aus… ich hoffe, dass das kein schlechtes Zeichen ist.

    Ich muss mich mal als Leser von Trivialliteratur outen: Es gibt auch eine tolle Geschichte von John Connolly: The Erlking (bestimmt auch in deutscher Überstzung). Wenn man es *sehr* gruselig mag. Mit einem Hauch Horror. =)

    Ich glaube, dass Venedig auf Eichenpfählen steht, aber sicher bin mir nicht.

  • Katala 26. Mai 2016 at 15:07

    Was für eine schöne, mächtige Erle. Ich mag all die Geschichten, die sich um diese Bäume ranken. Und ich finde, Du solltest doch mal des nachts… Wer weiß… Vielleicht…
    Lieben Gruß
    Katala

  • Fragmentage 27. Mai 2016 at 16:37

    Wunderschöne Bilder in einer zauberhaften Stimmung! Ich wusste überhaupt nichts über die Erle, nichT mal, dass der Erlkönig, den wir natürlich interpretieren mussten, nach ihr benannt ist. Ist ja aber sehr naheliegend, wenn man sich's mal überlegt 🙂

    Ein schönes Wochenende dir,
    Hadassa

  • Fragmentage 27. Mai 2016 at 16:38

    Wunderschöne Bilder in einer zauberhaften Stimmung! Ich wusste überhaupt nichts über die Erle, nichT mal, dass der Erlkönig, den wir natürlich interpretieren mussten, nach ihr benannt ist. Ist ja aber sehr naheliegend, wenn man sich's mal überlegt 🙂

    Ein schönes Wochenende dir,
    Hadassa

  • Fränzi 28. Mai 2016 at 5:29

    Was für ein wunderschöner Baum!

  • jahreszeitenbriefe 29. Mai 2016 at 9:13

    Hach, nun ist er bei mir, der Baum, danke noch mal dafür, habe mit Wonne den Post jetzt – draußen unter schon fast im Sommerwind rauschenden Bäumen sitzend – noch mal gelesen und angeschaut… Sonnige Sonntagsgrüße Ghislana

  • Pia 29. Mai 2016 at 17:55

    Sehr interessant was ich hier über die Erle erfahre.
    Da ich in Baumkunde hinter einer Säule sass in der Schulzeit, dementsprechend sind jetzt meine Kenntnisse. Aber mit den wunderschönen Bildern dazu sehr informativ.
    Bildung dauert eben ein Leben lang.
    L G Pia

  • Alizeti 1. Juni 2016 at 19:12

    Was für wundervolle Bilder. Da kann amn sich sehr gut eine Märchenlandschaft dazu vorstellen.
    Liebe Grüsse Alizeti

  • Edith Wenning 4. Juni 2016 at 12:13

    Ein sehr gelungener Post, liebe Andrea, ich wüßte auf Anhieb nicht,
    wo hier in der Nähe eine Erle steht, werde nun aber die Augen offenhalten.
    Ein schönes Wochenende und liebe Grüße
    Edith