Seit über 20 Jahren habe ich nun durchgehend ein oder mehrere Hunde an meiner Seite. In all den Jahren hat sich einiges in der Hundewelt verändert. Klar, das Zeitgeschehen hinterlässt auch hier seine Spuren. Die Zahl der Hunde und Hundehalter ist viel größer geworden. Das merkt man jeden Tag auf seinen Runden. Das Verhältnis untereinander und die Begegnungen haben sich stark verändert.
Bei uns liefen die meisten Hunde frei, gehorchten ganz gut auf den Rückruf und waren miteinander verträglich. Angeleint waren die alten, kranken, läufigen und aggressiven Hunde, da machte man einen Bogen, fertig.
Zwanzig Jahre später begegne ich meist Leuten, die sich an die Leinen der Hunde klammern. Sie oder ihre Hunde (sagen sie) wollen häufig keinen Kontakt. Die Hunde gehorchen oft nicht oder haben Defizite im sozialen Umgang.
Hundetraining hat sich auch verändert (man muss sich aber eben dorthin wenden und üben…). Oft genug liegt die Ursache auftretender Schwierigkeiten aber gar nicht nur beim Hund, sondern am anderen Ende der Leine. Der Mensch bringt halt seine Probleme mit und überträgt diese auf seinen Hund. Das ist die Stelle an der das Buch, das ich Euch heute vorstellen möchte, ansetzt. Es ist übrigens auch für Menschen ohne Hund geeignet, denn es ist KEIN Buch, um den Hund zu trainieren….
Vanessa Engelstädter: Lass die anderen reden:
Stresscoaching für einen gelassenen Umgang mit Menschen und Hunden
Das Cover des Buches vermittelt schon durch die hellen Blautöne und das Weiß eine ruhige, entspannte Atmosphäre. Wir lernen auf dem Foto gleich die Autorin und ihren weißen Schäferhund kennen, die beide ziemlich relaxt ihre Umgebung betrachten.
Der Titel „Lass die anderen reden“ lässt noch viele Erwartungshaltungen zu, da ist der Untertitel doch nötig: „Stresscoaching für einen gelassenen Umgang mit Menschen und Hunden“.
Die Autorin Vanessa Engelstädter ist eine erfahrene Hundetrainerin und begleitet Menschen mit Stress- und Resilienzcoaching.
Resilienz für Mensch und Hund
Um es gleich vorauszuschicken: wenn man den Untertitel ganz genau liest, merkt man, dass sich hier nicht nur Menschen mit Hunden angesprochen fühlen müssen. Obwohl Verlagsname, Autorin und Foto das nahelegen. Schließlich ist der Umgang mit Stress und der Wunsch nach mehr Gelassenheit bei vielen Menschen Alltag.
Bei Mensch-Hunde-Teams stehen üblicherweise vor allem das Training und die Erziehung des Vierbeiners im Zentrum. Das hat auch seine Berechtigung. Aber nicht selten hängt die Ursache von Problemen und Schwierigkeiten an der anderen Seite der Leine. Wie schön wäre es, wenn doch Hund und Mensch gemeinsam eine positive Entwicklung durchmachen können. So gingen sie zusammen viel entspannter auf ihren Wegen.
Wer schon einmal einen Hund an der Leine hatte, weiß, wie schnell da eine Stimmungsübertragung vom Menschen zu seinem Tier passiert: eine kleine Anspannung des Körpers, manchmal nur ein negativer Gedanke und die Übertragung auf den Hund funktioniert. Das ist die Stelle, an der das vorliegende Buch ansetzt.
Man sollte hier also kein Hundeerziehungsbuch erwarten. Es geht hier vor allem um den Menschen: Stresscoaching, Achtsamkeit, Umgang mit den eigenen Emotionen, Kommunikationstraining und vieles mehr. Es wird sehr ausführlich auf die Entstehung von Stress und dem Umgang damit eingegangen.
Übersichtlich, informativ und umsetzbar
Die Schrift ist angenehm lesbar, die Kapitel überschaubar, Zusammenfassungen erleichtern die Dinge zu erfassen. Immer wieder gibt es Möglichkeiten selber Notizen einzufügen oder einen Selbsttest zum eigenen Stresslevel zu machen. Die optische Übersichtlichkeit ist sehr angenehm. Die Autorin versucht das Thema von allen Seiten, mit möglichst vielen Informationen und mit allen Facetten zu betrachten. Denkanstöße, Lösungsansätze und viele praxisnahen Tipps zur Erlangung eine Resilienz sollen die Ratsuchenden motivieren und ins Tun bringen.
Mit einer gelassenen, entspannten Haltung fühlt man sich bei Begegnungen mit seinen Mitmenschen viel sicherer und kann dies auch dem Hund vermitteln.
Das Buch ist durchaus anspruchsvoll und verlangt Mitarbeit. Ich könnte mir vorstellen, dass auch Hundetrainer*innen viel mitnehmen können, um besser auf Ihre Kunden einzugehen.
Wer also nicht nur mit seinem Hund, sondern auch unterstützend an sich selber arbeiten möchte, findet in diesem Buch vollumfängliche Informationen.
Vanessa Engelstädter:
Lass die anderen reden:
Stresscoaching für einen gelassenen Umgang mit Menschen und Hunden
Kosmos Verlag August 2024
224 Seiten
Ich bedanke mich beim Kosmos-Verlag, der mir freundlicherweise ein Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt hat. Auf meine Meinung und Rezension des Buches hat dies keinen Einfluss.
Sicher ein sehr schönes Buch und ich würde es so gerne hier ganz vielen (seit COVID deutlich mehr noch Mal) Hundebesitzern in die Hand drücken. so sie denn lesen würden… Auch wenn hier viele ganz tolle Paare rumlaufen, es überwiegt der Teil, denen erstens egal ist, was da passiert (fängt schon damit an, dass Kacke nicht weggemacht wird) und andere, die die Angst auf den Hund übertragen und viele, die mit dem Finger dann auf der anderen Hund zeigen. Da wir mit einem Hund leben, der traumatisiert zu uns gekommen ist, war das damals schon schwer. Heute ist er so alt, dass er eh nicht mehr so viele, geschweige denn lange Runden läuft. Leider sind viele Tierhalter lernresistent.
Für den Start mit Troll damals hatte uns das Buch ganz sicher geholfen. Denn Wissen und Umsetzung sind ja auch immer eine Sache 😊
Liebe Grüße
Nina
Oh, das Buch würde ich gerne meiner jungen Kollegin schenken. Sie ist Hundetrainerin mit Schwerpunkt “schwierige Hunde”, wobei sie klar weiss, auf welcher Seite der Leine das Problem steht. Ich denke, sie könnte für ihre “Schwererziehbaren” ganz viele Tipps rauspflücken.
Danke
Herzlichst
yase
Ein wunderbarer Tipp für so manchen Hundehalter, liebe Andrea. Aber was soll ich sagen? Ich bin mit meiner Julie geradezu verwachsen. Sie hört auf’s Wort und weicht bei Spaziergängen kaum von meiner Seite – ob mit Leine oder ohne 😉 Sie ist bei Wild abrufbar und immer im Gehorsam (nicht meine Worte, sondern die einer lieben Freundin *Hundetrainerin”) Ich selber empfinde es gar nicht so. Es ist die Verbundenheit und die Liebe die Julie und mich vereinen. Wir müssen einander nur angucken und dann wissen schon was die andere braucht! Alles Liebe, Nicole