Auf gar keinen Fall möchte ich es versäumen, meine Lieblingsbücher des Monats Februar hier noch schnell nachzureichen. Es langt zeitlich nicht zu längeren Rezensionen, aber ich hoffe, dass Ihr Lust darauf bekommt, diese beiden Bücher zur Hand zu nehmen.
Patrick Tschan: Polarrot
Die Fahnen, die rot mit dem hakenversehenen Kreuz in der Mitte in der Zeit des „Dritten Reichs“ über Deutschland wehten, bekamen ihre Färbung – wer hätte das gedacht? – aus der Schweiz. Das so genannte „Polarrot“ wurde von der Schweizer Firma Geigy geliefert. Eine, der nicht wenigen wirtschaftlichen Verflechtungen zwischen Deutschland und der
Schweiz in jener Zeit.
Ein kleiner Schweizer Mitläufer in jenen Jahren wird in den Mittelpunkt des Romans von P. Tschan gestellt. Der ehemalige Toggenburger Ziegenbub Jakob „Köbi“ Breiter plant den gesellschaftlichen und finanziellen Aufstieg mit allen Mitteln, ganz gleich ob als Heiratsschwindler, Handelsvertreter oder Schmuggler. Seine Begeisterung für die braunen Machthaber in Deutschland, denen er als Vertreter im ganzen Reich die Farbe Polarrot verkauft, wird er schlagartig durch „interne Einblicke“ verlieren. Sein Charakter erfährt dadurch keine Änderung. In der Person Breiters wird der Schweiz bezüglich ihres Verhaltens gegenüber des nationalsozialistischen Deutschlands und der damaligen Flüchtlingsfrage der Spiegel vor das Gesicht gehalten. Breiter weiß sich durch
das Leben zu manövrieren, immer den eigenen Vorteil im Visier. Mitgefühl oder Verantwortlichkeit sind für ihn Fremdworte. Er rettet zwar am Ende Menschenleben, aber wiederrum nur um des Gewinns willen.
Breiter ist für mich kein liebenswertes Schlitzohr, sondern ein Bild des Ehrgeizlings ohne Mitmenschlichkeit. Ein Stück Zeitgeschichte in spannende Literatur umgesetzt und außergewöhnlich gut erzählt.
Absolut lesenswert!
Raquel J. Palacio: Wunder
Ein fantastisches Buch zu einem sehr bewegenden Thema!
Wahrscheinlich wird es mein Lieblingsbuch dieses Jahres. Als Jugendbuch geschrieben, spricht es auch den erwachsenen Leser an. Kein Buch, das man so schnell vergisst – und das ist auch gut so!
Der zehnjährige August Pullman wächst in einer liebevollen Familie mit Eltern, Schwester Via und Hund Daisy auf. Bislang wurde er von seiner Mutter unterrichtet, da viele Krankenhausaufenthalte nichts anderes zuließen. Doch nun wollen seine Eltern den Versuch starten, ihn in einer normalen Mittelschule anzumelden. Für August heißt das, die Sicherheit und den
Schutz der Familie zeitweise zu verlassen und sich den Reaktionen von Gleichaltrigen auszusetzen. Kein leichtes Unterfangen, denn ein seltener genetischer Defekt und eine Vielzahl von Operationen bestimmen sein äußeres Erscheinungsbild.
Die Reaktionen von Mitschülern und auch deren Eltern sind geprägt von Emotionen und Vorurteilen. August erweist sich als ungemein mutig und witzig, wenn er sich diesen Herausforderungen stellt. Aber auch seine Umwelt hat die Gelegenheit, im Umgang mit ihm zu reifen und zu wachsen, oder an den eigenen Vorurteilen zu scheitern. Der Leser begleitet August durch sein Jahr in der neuen Schule, ein Jahr, in dem ganz elementar menschliche Themen bewegt werden: Freundschaft, Liebe, Vorurteile, Verrat, Hoffnung, Angst, Verlust, Mut und Menschlichkeit.
Sehr interessant sind die Wechsel in den Erzählperspektiven, die die Situation nicht nur von Augusts Seite, sondern auch aus der Sicht z.B.
seiner Schwester Via oder Schulkameraden zeigen. Das Eintauchen in Augusts Welt, sein Mut und seine innere Stärke haben mich sehr berührt! Der liebenswerte August wird mich (und hoffentlich auch die anderen Leser des Buches) bestimmt lange begleiten.