Im Januar stellte das Team der “Lesenden Minderheit” seinen LeserInnen die Aufgabe, ein Buch zu lesen, welches sie geschenkt bekommen haben. Kein Problem, denn kurz nach Weihnachten habe ich immer ein paar noch ungelesene Bücher zur Hand, denn schließlich standen einige Bücher auf meinem Wunschzettel und hinzu kamen noch schöne Überraschungsbücher. Mittlerweile hat sich dieser Stapel ungelesener Bücher natürlich längst in Nichts aufgelöst. Für dieses Buchthema habe ich schließlich ein Geschenk vom jüngsten Tochterherz ausgewählt.
Da in den letzten Wochen meist die Farbe Grau vorgeherrscht hat, passt das Buch hier wunderbar hin. Ein Buch über das Grau des Lebens… ja, auch….
Aber dieser Hund?
Es sieht fast aus, als hätte ich ein Hundebuch geschenkt bekommen. Ja, es handelt sich um einen Roman rund um einen Hund, aber ein Hundebuch? Nein…
Rebecca Hunt: Mr. Chartwell
1964:. Sir Winston Churchill steht kurz davor, sich aus der Politik zurückzuziehen. Die letzten Arbeitstage fallen ihm nicht leicht. –
Zeitgleich hat die junge Witwe Esther Hammerhans, angestellt in der Bibliothek des britischen Unterhauses, annonciert, dass sie ein kleines Zimmer, das ehemalige Arbeitszimmer ihres verstorbenen Mannes, möbliert vermieten möchte.
Beide Personen haben eines gemeinsam: ihre Bekanntschaft mit Mr. Chartwell. Churchill muss seine Bekanntschaft schon lange Jahre ertragen. Bei Esther klopft er gerade erst als potentieller Mieter an die Haustür. Dass Esther zunächst schockiert ist, ist verständlich, entpuppt sich doch der massige Schatten vor der Tür als ein auf zwei Beinen laufender, schwarzer Hund, sprechend, mit merkwürdigen Manieren Als Mr. Chartwell stellt er sich vor – nach dem Familiensitz Churchills in Kent.
Mit zunehmender Vertraulichkeit wird Esther ihn bald Black Pat nennen. Trotz anfänglichem Abscheu erliegt Esther schließlich dem charmanten Witz und dem Mietangebot von 1000 Pfund, die Mr. Chartwell auf die Waagschale wirft.
Über Esther liegt ein schwermütiger Schatten, seit sich ihr Mann Michael zwei Jahre zuvor das Leben genommen hat. Black Pats Ausstrahlung greift allmählich Besitz von ihr. Darf er zunächst nur im Garten nächtigen, liegt er bald im Wohnzimmer, vor ihrer Schlafzimmertür und wird zum immer häufiger auftauchenden Begleiter.
Black Pat wartet nicht lange damit, seine Unarten auszuleben, seinen strengen Geruch, seine Rüpelhaftigkeiten, seine unappetitlichen Essgewohnheiten, seine dunkle Aura. Daneben ist er ein gelegentlich recht witziger, ja sogar charmanter Gesprächspartner. Esther schwankt zwischen Ekel und Sympathie.
Churchills Beziehung zu Black Pat ist schon alt, beständig macht er ihm das Leben schwer und versucht, ihn niederzudrücken. Churchill weiß, dass er ihn nicht loswerden kann, aber er versucht, souverän damit umzugehen Gerade als Black Pat Einfluss auf Esther lähmende Traurigkeit und sozialen Rückzug bewirkt, muss Churchills kranke Sekretärin ersetzt werden, denn das Diktat seiner Abschiedsrede steht an.. Esther soll für sie einspringen. Das kommt Black Pat durchaus sehr ungelegen. –
Sein Erscheinungsbild verdankt Black Pat indirekt Winston Churchill, dieser benannte seine immer wieder auftauchende Depression „black dog“ (schwarzer Hund).
Ich habe beim Lesen immer einen bärigen, großen Hundetyp vor Augen gehabt, vielleicht eine Tibetdogge (Do Khyi) oder einen Neufundländer. Nein, so dunkel und bedrückend wie es klingt, ist dieses Buch nicht.
Die Gespräche zwischen Esther und Black Pat werden von einem ganz speziellen Humor getragen. Man merkt, wie Lachen und die Traurigkeit ineinander übergehen. Mit Esther zusammen erkennt der Leser die Depression als Grund für den Tod von Esthers Mann und trotzdem gewinnt Black Pat charmant und treuherzig zunehmend Sympathiepunkte. Fast wie ein Sog, in den Esther sich verliert. Mut machen die Aspekte des Buches, die von der Kraft, sich zu wehren und von innerer Stärke erzählen, diesbezüglich hat mich besonders die
Darstellung von Churchills Frau berührt.
Ein origineller Zugang zu einem dunklen Thema. (Ich bin heilfroh, dass mein großer schwarzer Hund eher die eigene Freiheitsliebe als die Kontrolle meiner Person auf seine Fahnen geschrieben hat, – und besser erzogen ist er allemal.)
Bei der LESENDEN MINDERHEIT findet Ihr weitere Links zu Buchbesprechungen und – ein neues Lesethema. Vielleicht habt Ihr Lust mitzumachen.
Liebe Andrea
Danke für die Vorstellung dieses Buches! Es scheint sehr tiefgründig zu sien! Übrigens eine interessante Namenswahl der Hauptfigur;-)
Ich freue mich schon auf deine nächste Buchvorstellung und folge dir!
Herzliche Grüsse
Esther