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“Lurch, Kauz und Kröte über euch!” oder Atwood’s Hexensaat {Bücher}

31. Mai 2017

Was für eine spannende Idee!
Anlässlich von Shakespeares 400. Todestag hat sich der britische Verlag Hogarth Press, (1917 von Virginia und Leonard Woolf gegründet) etwas Besonderes einfallen lassen. Acht renommierte zeitgenössische Autoren wurden dafür gewonnen, ihr Lieblingsdrama von Shakespeare als Vorlage für einen eigenen Roman neu und frei zu adaptieren.

Meine liebste Neuerscheinung des Monats Mai ist der vierte Band dieses Zyklus’. Margaret Atwood erzählt in ihrem Roman “Hexensaat” Shakespeares “Der Sturm (The Tempest)” neu.

Inhalt

Felix Phillips, der Intendant eines kanadischen Theaterfestivals,vertieft sich lieber in seine extravaganten künstlerischen Ideen für seine Inszenierungen, als sich mit der Kontaktpflege mit Förderern und Sponsoren des Festivals zu belasten. Dies überlässt er lieber seinem Kollegen Tony.
Doch der intrigante Tony weiß zu seinen Gunsten mit diesem Netzwerk umzugehen. Dank dessen Interventionen wird Felix gerade in dem Moment von seinem Posten enthoben (und natürlich durch Tony ersetzt…), als er sein ambitioniertestes Werk – Shakespeares ‘Der Sturm’ – auf die Bühne bringen will.
Es sollte der Höhepunkt seiner Karriere werden und gleichzeitig ein Akt der Trauerarbeit nach dem Tod seiner kleinen Tochter Miranda, für den er sich verantwortlich fühlt.
Seine kleine Miranda hatte er nach der weiblichen Hauptrolle in Shakespeares ‘Sturm’ benannt (und so deutet sich schon das Stück im Stück im Roman an).

Eigentlich wollte Felix in seiner Inszenierung selber die Hauptrolle des Zauberers Prospero übernehmen. Aber nun wird er 12 Jahre lang warten müssen, bis er sich mit dem Entfachen eines neuen Sturmes für diese Schmach revanchieren kann.
In all diesen Jahren haust er eremitenhaft in einer abgelegenen, heruntergekommenen Hütte, kann sein verlorenes Kind innerlich noch immer nicht loslassen.
Ganz hat er sich noch nicht vom Theater verabschiedet. Unter falschem Namen und mit fingierten Bewerbungsunterlagen hat er sich eine kleine, schlecht bezahlte Stelle als Leiter eines theaterpädagogischen Projektes in einem Gefängnis besorgt.
Dort ist es ihm mit höchst kreativen Methoden und viel Einfühlungsvermögen gelungen, die Insassen für Shakespeares Dramen zu begeistern.
Vor dem neuen Projektzyklus erfährt er von der geplanten Inspektion hochgestellter regionaler Politiker, die auch seine Theaterarbeit begutachten wollen. Wird diese neue finanzielle Unterstützung erhalten oder gecancelt werden?
Felix jedenfalls schlägt den Insassen als neues Stück Shakespeares “Sturm” vor.  Es ist an der Zeit, alte Rechnungen zu begleichen.
(Mehr verrate ich nicht, jetzt wird es ganz böse, lustig, vielschichtig….)

Meine Meinung

Atwoods Geschichte hat mich gleich in den Bann geschlagen, denn sie ist voller Mutwillen und Begeisterung geschrieben, frech und voller genialer Ideen. Es gibt soviel zu entdecken.

Man muss Shakespeares Drama nicht unbedingt vorher gelesen haben. Mir hat zur Auffrischung die kurze Zusammenfassung des Dramas am Ende von Atwoods Buch gereicht, die ich mir zuerst zu Gemüte führte.
Für mich hat das die Lesefreude zusätzlich gesteigert, weil ich so jede ihrer Finessen zusätzlich genießen konnte. Sie hat eine herrliche Leichtigkeit, mit den Motiven zu spielen!  (Eine weitere Interpretation von Shakespeares Sturm schaue ich mir jetzt noch als Verfilmung  an, Das Buch hat mir so richtig Lust drauf gemacht).

Felix ist wirklich ein toller Charakter, es hat Spaß gemacht ihn zu begleiten. Eigentlich gewinnt er nach dem Absturz aus den Höhen der Theaterwelt in die harte theaterpädagogische Arbeit im Knast an Charisma.
Der Titel von Atwoods Roman – Hexensaat – Hag-seed – stammt von der Liste von Schimpfwörtern, die Felix sein Gefängnis-Ensemble aus Shakespeares Stück zusammentragen lässt.  Denn während der Theaterproben sind keine anderen Flüche und Beschimpfungen erlaubt. Die Auswahl ist dennoch reichhaltig z.B. “Gescheckter Balg, Vettelauswurf. […] Lurch, Kauz und Kröte über Euch.[…] Dir die Gicht in die Finger.”
Was für eine herrliche Idee!
Genauso wie die, dass er als Abschluss des Projektes seine Schauspieler sich ausmalen lässt, was mit ihren Rollen in “Der Sturm” NACH der eigentlichen Handlung dann passiert.
Einfach nur großartig.

Vielleicht hat Mrs Atwood Lust, sich noch ein weiteres Shakespearesches Drama vorzuknöpfen?
Nur zu!!

Absolute Leseempfehlung!!!

  • mano 31. Mai 2017 at 5:24

    das klingt sehr gut und wie geschaffen für den nächsten längeren urlaub!! deine buchkritiken sind übrigens immer toll geschrieben, man kann sich bestens in das buch und ihre figuren hineinversetzen.
    liebe grüße
    mano

  • Birgitt 31. Mai 2017 at 12:13

    …das klingt gut, liebe Andrea,
    habe mir gleich mal die Leseprobe geschickt…das mache ich gerne so, denn nach ein paar Seiten weiß ich dann besser, ob ich das Buch lesen möchte oder nicht…

    wünsche dir einen schönen Tag,
    liebe Grüße Birgitt

  • Magdalena 31. Mai 2017 at 18:01

    Guter Tipp! Atwood kann's halt.
    LG
    Magdalena

  • Fragmentage 1. Juni 2017 at 6:24

    Das klingt richtig gut, danke für diese schöne Empfehlung, ich habe mir inzwischen immerhin die Leseprobe gezogen, irgendwie komme ich in letzter Zeit nicht so zum Lesen, wie ich es gerne möchte. Hmpf.

    Viele Grüße,
    Hadassa

  • ktinka 1. Juni 2017 at 14:35

    Das klingt spannend! (Und das Cover ist toll!) Ich werde mal reinlesen!
    Lieben Gruß, Katharina

  • Nula 7. Juni 2017 at 13:59

    Das ist ja eine tolle Idee und danke für's Weiterempfehlen. Ach, meine Sommerferienleseliste wird immer länger.

    Liebe Grüße
    Nula

  • Angela Busch 20. November 2017 at 13:16

    Hallo Andrea, Ich habe Dich, Deinen Blog und diese schöne Rezension ( ich habe vor einigen Tagen auch einen Leseeindruck zum Buch verfasst) über das *karminrote Lesezimmer gefunden und schaue mich gern weiter um,,,
    LG Angela vom Literaturgarten