Bücher

    Ein mediterranes Kaleidoskop {Buchtipp}

    24. April 2024

    Das Wetter ist kalt, fies und grau? Es dürstet Euch nach Farben, buntem Leben, Warmherzigkeit, Herzensgüte, mediterranem Flair? Dann habe ich hier ein Buch, mit dem ihr Euch auf dem Sofa einkuscheln und ein Fenster in eine liebevolle Welt aufstoßen könnt.

    Sarah Winman: “Das Fenster zur Welt”

    Während 1944 in Italien die Bomben fallen, treffen sich in der Ruine eines Weinkellers einer Toskanischen Villa zwei ganz unterschiedliche Fremde und verbringen einen einzigartigen Abend. Der eine ist Ulysses Temper, ein junger englischer Soldat. Die sechzigjährige Evelyn Skinner ist eine britische Kunsthistorikerin und ist nach Italien gekommen, vor allem um Kunstwerke zu retten. Letztendlich wollte sie auch ihre Erinnerungen an ihre italienische Zeit wieder zum Leben erwecken,  ganz besonders an ihre große Liebe Livia.

    Ein zündendes Zusammentreffen

    Evelyn gelingt es durch ihre Einsichten, ihre große Leidenschaft für die Kunst, Italien, besonders Florenz, einen Sämling in Ulysses‘ Gemüt zu pflanzen. Dieser geht dort an, gedeiht und wird seinem weiteren Leben und dem seiner Freunde eine bestimmte Richtung geben. 

    Evelyn sieht etwas Besonders in Ulysses, eine Art Gefährten im Geiste, empfindet sich wieder jung. Ulysses fühlt sich ebenso zu Evelyn hingezogen. Es entsteht eine ganz besondere Beziehung in dieser kurzen Zeit. Eine Verbindung, die sie beide in Gedanken über Jahre begleitet. Man wartet sehnsüchtig darauf, dass sich die beiden wiedersehen. Doch stets verpassen sie sich knapp.

    Diesen Tanz sollten Evelyn und Ulysses noch jahrelang fortführen. Nur in Gedanken waren sie immer beeinander. Ein eleganter Two-Step, geboren aus einem Jig an einem Straßenrand in der Toskana.

    S. 283

    Zunächst kehrt Ulysses  aber heim nach London, wo seine Frau Peg inzwischen das Kind eines anderen Mannes geboren hat.
    Ulysses Temper ist ein warmherziger Mann, der meist an das Wohlergehen der anderen denkt. Kein Wunder, dass dieses Kind Alys wichtiger Teil seiner Wahlfamilie werden wird. Und er wird das Ruder seines Lebens herumdrehen, denn durch seinen Mut und sein großes Herz wird ihm ein Erbe zuteil.

    „Incipit vita nuova“ … „So beginnt ein neues Leben.“

    S. 235

    In den nächsten vier Nachkriegs-Jahrzehnten werden wir als Leser*innen mit Ulysses und seiner Wahlfamilie – Alys, seinen Freunden Cress und Col, Peg u.v.a. –  zwischen dem Pub im ärmlichen Londoner East End und dem neuen Lebensmittelpunkt in der sonnigen, charmanten Stimmung von Florenz pendeln. Kein Wunder, dass sich die Charaktere dann vor allem in Florenz in Ulysses Pension versammeln. So können wir es genießen, durch die Gassen der Stadt zu wandeln, die durch die reiche  Kunst und Geschichte der Renaissance geprägt ist.

    Man nimmt Teil an persönlichen Entwicklungen, Trennungen, Verlusten, Trauer, Sorgen, Überraschungen, den Schicksalswegen, dem Alltagsleben der ganz speziellen Charaktere.

    Auch die exzentrische Evelyn werden wir Leser*innen wieder treffen. Gerade durch die Figur dieser lesbischen Kunsthistorikerin bekommen wir viele spannende Einblicke in die Kunst und Architektur von Florenz.
    Natürlich geht die politische Zeitgeschichte nicht an ihnen vorüber, so dass die 70iger Jahre in Italien sie sehr aufwühlt.

    „Wir durchleben immer noch das ideologische Erbe der französischen Revolution, Hitlers und Mussolinis“ sagte Evelyn. „Kratzt man an der Oberfläche, hebt das Monster wie gehabt seinen Kopf. Das Böse wurde zwar besiegt, aber es hat sich nicht in Luft aufgelöst. Das ist etwas, womit wir leben müssen, Ulysses.“

    S. 432

    Fazit

    Eigentlich gleich dieser Roman einem Stillleben. Mit dem zarten Pinsel einer ausgewählt poetischen Sprache ist es wie ein Gemälde aufgebracht. So bunt, mediterran und frisch, wie auch das Cover des Buches, aber auch voller Weisheiten.

    Es taucht zwar eine große, vielfältige Menge an Charakteren über eine erzählte Zeitspanne von 40 Jahren auf, aber eine eigentliche Handlung oder einen Spannungsbogen findet man kaum. Das ist etwas, was ich doch vermisst habe.

    Ulysses ist ein wunderbarer Hauptcharakter und der Grund, immer wieder zum Buch zurück zu kehren. Ein schieres Labyrinth an Charakteren ist miteinander durch die Liebe, den Krieg, die Kunst, das Schicksal verknüpft. Selbst ein sprechender Papagei und kommunizierende Bäume tauchen auf. 

    Ein bunter Fächer an Charakteren und Geschichtchen

    Statt eines Spannungsbogens  folgt man den Schicksalswegen der vielen Charakteren, und denen zweier Städte. So kann man sich an der stimmungsvollen Beschreibung der Entwicklung von London und vor allem Florenz in diesen Nachkriegsjahrzenten erfreuen. Besonders beeindruckend sind dabei die Schilderungen der verheerenden Flutkatastrophe von 1966, die sehr bewegend dargestellt wird.

    Über ein paar Unebenheiten in der Übersetzung bin ich gestolpert, wie z.B. Alys „Mulltuchbluse“, bei der es sich wohl um eine Musselin-Bluse handeln müsste.

    Im Endeffekt kann sich jeder etwas ganz Unterschiedliches aus dem Erzählen der kleinen Dinge des Lebens, der Beziehungen, Entwicklungen, Schicksale mitnehmen. Bei manchen hallt es nach,  anderen sagt es vielleicht weniger. Eintauchen und Entspannen ist auf jeden Fall garantiert.

    Ich bedanke mich beim, Klett-Cotta-Verlag, der mir freundlicherweise ein Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt hat. Auf meine Meinung und Rezension des Buches hat dies keinen Einfluss.

    Sarah Winman
    Das Fenster zur Welt

    Übersetzt v. Elina Baumbach
    Verlag Klett-Cotta, April 2024
    528 Seiten

  • Sonntagsschätzchen

    Sonntagsschätzchen {21/04/24}

    Lass dich vom Regen küssen. Lass ihn auf deinen Kopf tropfenmit silbernen Tropfen. Lass den Regen dir ein Schlaflied singen. Let the rain kiss you.Let the rain beat upon your headwith silver liquid drops-Let…

    21. April 2024
  • Sonntagsschätzchen

    Sonntagsschätzchen {14/04/24}

    “Jede Beschwichtigung der Tyrannei ist Verrat.” William Allen White (1868-1944) Auch diese Woche war ich wieder unterwegs, um gute, schöne Schätze und Wahrhaftigkeiten zu sammeln. Verborgene Schätze im Detail Eben nicht nur durch die…

    14. April 2024
  • 12telBlick 12telBlick 2024

    12 von 12 im April 2024

    Im April steige ich wieder mit zwölf Fotos von meinem zwölften Tag des Monats ein.Der Himmel ist blau, die Sonne scheint, aber am Morgen darf es noch eine warme Übergangsjacke sein. Heute bin ich…

    12. April 2024
  • Sonntagsschätzchen

    Sonntagsschätzchen {07/04/24}

    Courage is rightly esteemed the first of human qualitiesbecause it is the quality that guarantees all others. Sir Winston Churchill (1874-1965) Es war in dieser Woche sehr einfach, die Glücksmomente draußen in der Natur…

    7. April 2024
  • Bücher

    Wohin gehen, wenn nichts mehr geht? {Buchtipp}

    Heute stelle ich Euch einen tollen Roman vor, den ich 2020 zum ersten Mal gelesen habe und als eines meiner Bücherhighlights des Jahres gekürt habe. Ich war mir ganz sicher, dass ich ihn –…

    4. April 2024
  • Jahresprojekt

    Jahresprojekte 2024 {März}

    Frohe Ostern! Als Dreingabe noch einen lustigen ersten April! Und wenn das nicht schon reichen würde, eine möglichst reibungslose Zeitumstellung!Okay, auf letztere könnte ich sehr gut verzichten und stehe damit wohl auch nicht ganz…

    1. April 2024
  • Sonntagsschätzchen

    Sonntagsschätzchen {31/03/24}

    “It is not NATO that Putin fears, it is democracy. Dictators fear the idea of freedom.” “Nicht die NATO ist es, die Putin fürchtet; er hat Angst vor der Demokratie, Diktatoren fürchten die Idee…

    31. März 2024
  • 12telBlick 12telBlick 2024

    Meine 12tel-Blicke 2024 {März}

    Im März hielt der Frühling nun sehr deutlich Einzug bei meinen Fotostandorten. Allerdings habe ich wieder gemerkt, dass ich keine auffälligen Markierungen habe, um den exakten Blickwinkel wählen zu können. In die Wiese kann…

    30. März 2024
  • Sonntagsschätzchen

    Sonntagsschätzchen {24/03/24}

    Drei Ringe den Elbenkönigen hoch im Licht,Sieben den Zwergenherrschern in ihren Hallen aus Stein,Den Sterblichen, ewig dem Tode verfallen, neun,Einer dem Dunklem Herrn auf dunklen ThronIm Lande Mordor, wo die Schatten drohn.Ein Ring, sie…

    24. März 2024
  • Sonntagsschätzchen

    Sonntagsschätzchen {17/03/24}

    “Igitur qui desiderat pacem, praeparet bellum.”“Wenn du Frieden willst, rüste zum Krieg!” Publius Flavius Vegetius Renatus (330 – 390) Eine ausgefüllte Besuchswoche liegt hinter mir. Kleinkinder tollten durchs Haus, drei Hunde wollten unbedingt mit…

    17. März 2024